Wasserstoff macht die Energiewende noch teurer

Luftnummer

Ein Schlag ins Wasser: Das Gewinnen von Wasserstoff, um Strom zu erzeugen, ist unwirtschaftlich.

NAEB 2004 am 16. Februar 2020

Wasserstoff soll die Energiewende retten. Mit Windenergie gewonnener Wasserstoff, sogenannter „grüner“ Wasserstoff, soll Züge und Autos antreiben, Wohnungen warmhalten und Strom erzeugen, wenn kein Wind weht und keine Sonne scheint. Sogar Stahl soll mit Wasserstoff gewonnen werden. Ohne Sachverstand wird eine neue Sau durchs Land getrieben, die sich in teuren Irrwegen verläuft.

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Windmühlen wie auch Wasserstoff sind zur Stromerzeugung unwirtschaftlich - StockKosh-Advertisement-29

Eigenschaften von Wasserstoff

Wer über den Einsatz von Wasserstoff für die Energiewende entscheiden will, sollte die Eigenschaften und Kosten dieses Energieträgers kennen.

Wasserstoff ist ein farbloses Gas. Er wird bei minus 252 Grad Celsius flüssig und bei minus 259 Grad Celsius fest. Er ist das leichteste Element mit dem kleinsten Atomdurchmesser und dem höchsten Energieinhalt  pro Gewichtseinheit mit knapp 40 Kilowattstunden/Kilogramm (kWh/kg). Das ist fast das Vierfache von Benzin und Diesel.

Doch Wasserstoff hat ein großes Volumen. Selbst im flüssigen Zustand ist das Volumen von Wasserstoff für den gleichen Energieinhalt viermal größer als für Benzin. Im gasförmigen Zustand steigt das Volumen bei einem Druck von 200 bar auf das Vierfache und einem von 700 bar auf das Doppelte des Flüssigvolumens  an. 125 Liter Hochdrucktanks mit einem Gewicht von 125 kg fassen beim Druck von 700 bar nur 5 kg Wasserstoff und damit die Energiemenge von nur 22 Liter Benzin.

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Dichte und Energie von Wasserstoff und konkurrierenden Energieträgern (Alle Werte nach Wikipedia)

Die kleinen Wasserstoffatome diffundieren durch alle Metalle. Diffusion ist ein Platzwechsel von Atomen oder Molekülen durch Wärmeschwingung. Die kleinen Atome diffundieren in den Zwischenräumen der viel größeren Metallatome vom hohen Innendruck nach außen. Normale Metalltanks können so innerhalb von einigen Wochen mehr als die Hälfte des Wasserstoffs verlieren. Deshalb wurden Tanks aus Werkstoffen entwickelt, die die Diffusion weitgehend verhindern.

Herstellung von Wasserstoff

Weltweit werden etwa 30 Millionen Tonnen Wasserstoff jährlich erzeugt. Mit dieser Wasserstoffmenge könnte man gerade ein Prozent des Weltstrombedarfs befriedigen. Wasserstoff ist offensichtlich für die Stromversorgung unwirtschaftlich. Er wird für viele chemische Prozesse eingesetzt wie zur Herstellung von Dünger und zum Härten von Fetten für Margarine. Notwendig ist er zur Kohlehydrierung, mit der flüssige  Treibstoffe gewonnen werden. Dieser Prozess ist jedoch gegenüber Treibstoffen aus Erdöl unwirtschaftlich.

Das Umkehrverfahren, Wasserstoff aus Kohlenwasserstoffen und Wasser zu gewinnen, ist dagegen das heute wirtschaftlichste Verfahren.  Bei hohen Temperaturen verbindet sich der Sauerstoff des Wassers mit dem Kohlenstoff  unter Freisetzung von Wasserstoff und Kohlenstoffmonoxid.  Eine andere Möglichkeit ist, Wasser auf Temperaturen weit über 1000 Grad Celsius zu erhitzen. Wasser dissoziiert bei diesen hohen Temperaturen, das heißt, es zerfällt in Wasserstoff und Sauerstoff. Ein schwedisches Unternehmen hat ein Verfahren entwickelt, bei Temperaturen von 1600 Grad Celsius Wasserstoff aus dem Gasgemisch abzutrennen.

Die Wasserelektrolyse ist seit mehr als hundert Jahren bekannt. Leitet man Gleichstrom durch Wasser, dann entwickelt sich an der Kathode Wasserstoff und an der Anode Sauerstoff. Doch dieses einfache Verfahren wird fast nur im Labor angewendet, weil es zu teuer ist. Es gibt noch weitere Möglichkeiten, Wasserstoff zu erzeugen, doch haben sie nur geringe Bedeutung.  

Kann Wasserstoff die Energiewende retten?

Das Ziel der Bundesregierung ist, die Kohle- und Gaskraftwerke durch Windstromanlagen zu ersetzen. Dazu müssten mindestens 100.000 neue große Windgeneratoren der Drei-Megawatt-Klasse zu den derzeitigen rund 30.000 Anlagen hinzukommen, um wenigstens rechnerisch den Jahresbedarf zu decken.

Bei Starkwind kommt es dann zu erheblichen Leistungsüberschüssen des Windstroms. In diesem Fall soll der überflüssige Windstrom Wasserstoff elektrolytisch erzeugen. Bei Flauten würde er in Gaskraftwerken wieder verstromt, um die dann geringe Windstromerzeugung auszugleichen. Unter der Annahme, dass 20 Prozent des Jahresstrombedarfs ein solcher Ausgleichsstrom ist, müssten weitere 40.000 Windgeneratoren eingesetzt werden, um die Energieverluste bei der Elektrolyse und der Wiederverstromung auszugleichen.

Diese Verluste machen rund zwei Drittel des Elektrolysestroms aus. Dann würde auf jedem zweiten Quadratkilometer in Deutschland ein großer Windgenerator stehen. Das dürfte politisch undurchsetzbar sein. Die über 1.000 Bürgerinitiativen, die sich als „Vernunftkraft“ zusammengeschossen haben, werden eine solche Zerstörung der Umwelt verhindern.

Kosten der Wasserstoffverstromung

Die Wendepolitiker gehen wohl davon aus, der Überschussstrom sei kostenfrei, denn er müsste ja sonst verschenkt oder sogar kostenpflichtig exportiert werden. Bereits jetzt wird bei Starkwind und Sonnenschein zu viel Windstrom und Solarstrom erzeugt, der zunächst teuer nach dem Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG) mit ca. 8 Cent/Kilowattstunde (Ct/kWh) vergütet wird, während Braunkohlestrom für 3 Ct/kWh erzeugt wird, um ihn dann kostenpflichtig zu exportieren. Dafür mussten im Jahr 2019 mehr als 1,5 Milliarden Euro aufgewendet werden. Von kostenlosem Überschussstrom kann also keine Rede sein.

Mit diesem wertlosen und überteuertem Überschussstrom soll nun Wasserstoff per Elektrolyse erzeugt werden, so die Vorstellung der Politiker. Der Wasserstoff soll dann mit Hilfe von Gasturbinen wieder in Strom umgewandelt werden, wenn es bei Flaute und Dunkelheit an Wind- und Solarstrom mangelt.

Grundsätzlich ist das möglich. Doch das Verfahren ist unwirtschaftlich und treibt den Strompreis in unbezahlbare Höhen. Allein die Stromverluste bei den Energiewandlungen verdreifachen die gezahlte Vergütung. Hinzu kommen die Kosten für die Elektrolyse, die großen Gasspeicher und die Gaskraftwerke, die viel Energie in kurzer Zeit umsetzen müssen, denn die Starkwindzeiten bringen viel Energie in wenigen Stunden des Jahres. Es sind große und damit teure Anlagen, die die meiste Zeit stillstehen.

Die Kapital- und Betriebskosten je umgesetzter Kilowattstunde sind vielfach höher als bei einem kontinuierlichen Betrieb. Die reinen Kosten dürften für den wieder eingespeisten Strom deutlich über 50 Ct/kWh liegen. Hinzu kommen dann noch die Kosten für die Verteilung, die Netzgebühren, die staatlichen Abgaben und auf dies alles die Mehrwertsteuer. Damit liegt der Endpreis wohl deutlich über 1 Euro/kWh.

Politiker ohne Sachkenntnis

Der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil, sein Umweltminister Olaf Lies und sein Wirtschaftsminister Bernd Althusmann setzen sich weiterhin für die Verwendung  von „grünem“ Wasserstoff ein, der mit Windenergie gewonnen wird: zum Heizen, als Treibstoff für Autos und Bahnen, als Speicher für eine Rückverstromung und sogar zur Stahlherstellung.

Dies sei, behaupten sie, ein erfolgversprechender Weg, um die Energiewende mit der Forderung "Weg von fossilen Brennstoffen!" durchzusetzen. Niedersachsen sei mit seinen vielen Windgeneratoren als Vorreiter dafür prädestiniert. So werden sogar bereits Versuchsanlagen mit Steuergeldern finanziert und Tankstellen geplant, ohne eine Kostenanalyse und ohne Versuchsergebnisse abzuwarten.

Doch die Wende-Politiker sollten sich zunächst über den heutigen Stand der Kenntnisse informieren, bevor sie Steuergelder zur Unterstützung unwirtschaftlicher Prozesse freigeben. Wie beschrieben, ist es unmöglich, mit Windgeneratoren die in Deutschland benötigte Strommenge bereitzustellen. Doch die Politiker wollen zusätzlich auch noch den Treibstoff für Autos und Bahnen, Raumheizung  und sogar Stahlgewinnung auf „grünen“ Wasserstoff umstellen.

Unwirtschaftlich ist die angestrebte Verwendung von Wasserstoff aus überschüssiger Windenergie - der Zufallsstrom wird vom Stromverbraucherschutz NAEB „Fakepower“ genannt - für alle angedachten Bereiche. Für manche richtige Entscheidung reicht schon der gesunde Menschenverstand. Beispielhaft sei hier die Stahlherstellung genannt.

Vor gut 50 Jahren haben wir uns als Clausthaler Eisenhütten-Studenten gefragt, ob Wasserstoff zur Eisenproduktion genutzt werden kann, weil er bei der Erdölförderung zusammen mit Methan als überschüssiges Nebenprodukt anfällt und abgefackelt wird. Wer einmal nachts über den Persischen Golf geflogen ist, konnte die von Gasfackeln erleuchteten Ufer rund um den Golf sehen. Heute wird zunehmend das Gas in flüssige Treibstoffe umgewandelt. Der befragte Professor antwortete: „Mit Sicherheit würden dort längst Eisenhütten stehen, wenn das Verfahren mit nahezu kostenlosem Wasserstoff wirtschaftlich wäre. Denn der Mensch nutzt jede Chance auf mehr Gewinn.“

Die Reduktion von Eisenerz zu Eisen mit Wasserstoff ist möglich, jedoch nur im festen Zustand bei etwa 900 Grad Celsius. Unter höheren Temperaturen kann Wasserstoff keinen Sauerstoff mehr binden, weil Wasserdampf dann dissoziiert, also in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten wird. 

Zur Stahlherstellung mit Wasserstoff müssen Behälter mit Erzkügelchen gefüllt und auf 900 Grad Celsius erhitzt  werden. Wasserstoff wird dann durch den Behälter geleitet. Es entsteht Wasserdampf, der entweicht. Zurück bleibt ein Eisenschwamm, der aus dem Reaktionsbehälter ausgestoßen und anschließend aufgeschmolzen wird. Für die geforderte Stahlqualität muss die Schmelze aufgekohlt und es müssen weitere Legierungselemente zugesetzt werden. Dieser diskontinuierliche Prozess ist um ein Vielfaches aufwendiger und energieintensiver als die Eisengewinnung mit Koks in Hochöfen.

Wie Überschlagsrechnungen zeigen, sind in Deutschland die Flächen zu klein, um die Fakepower-Mengen zu gewinnen, die für die Stromversorgung gebraucht werden. Doch die Politiker wollen zusätzlich auch noch mit „grünem Strom“ direkt oder indirekt Autos, Lastwagen und Bahnen antreiben, Wohnungen heizen und synthetische Treibstoffe herstellen.

Die offensichtlich verblendeten Politiker sind faktenresistent. Landräte und Bürgermeister folgen ihnen. Statt den Sinn zu hinterfragen, spekulieren sie auf Zuschüsse aus Landesmitteln oder Bundesmitteln. So werden Steuergelder vergeudet, die für wichtige Investitionen und Instandhaltungen dringend gebraucht werden. Ob eine solche Politik die Folge ideologischer  Scheuklappen oder allein von Unfähigkeit ist, mag jeder selbst entscheiden.

Schon der schwedische Reichskanzler Axel Gustavson Oxenstierna hat vor fast 400 Jahren seinem Sohn auf die Frage, warum es unsinnige Regierungsentscheidungen gab, geantwortet: „Mein Sohn, du ahnst gar nicht, mit wie wenig Weisheit die Welt regiert wird.“ Der Altbundeskanzler Helmut Schmidt ist zu der Erkenntnis gekommen: „Die Dummheit von Regierungen sollte niemals unterschätzt werden.“ Es bleibt die Hoffnung, dass diese Erkenntnisse nicht immer stimmen.

Prof. Dr.-Ing. Hans-Günter Appel
Pressesprecher NAEB e.V. Stromverbraucherschutz
www.NAEB.info und www.NAEB.tv

https://www.youtube.com/watch?v=89XxLReUBPA

Gerd Mannes zur Wasserstofftechnologie

6. Juli 2019 | AfD-Fraktion Landtag Bayern
Gerd Mannes begründet den AfD-Antrag: Wasserstofftechnologie stärker fördern - Energiewende zukunftssicher und wirtschaftlich sinnvoll gestalten, Drucksache 18/2875