Steven Pinker: Aufklärung jetzt – Rezension
Steven Pinker: Aufklärung jetzt: Für Vernunft, Wissenschaft, Humanismus und Fortschritt. Eine Verteidigung
Pinker zählt mit seinen Büchern „Das unbeschriebene Blatt“ und „Gewalt – eine neue Geschichte der Menschheit“ zu den herausragenden geisteswissenschaftlichen Autoren unserer Zeit. Seine Argumente basieren auf umfangreicher Faktenrecherche und haben daher Gewicht.
Im Wesentlichen gilt das auch für sein neues Buch, das die Segnungen der Aufklärung seit dem 17./18. Jahrhundert darstellt und gleichzeitig vor ihrer Gefährdung durch sozialistische, religiöse und wissenschaftsfeindliche Strömungen warnt.
Ohne das lesenswerte Buch als Ganzes diskreditieren zu wollen, werde ich mich in dieser Rezension auf einige Punkte beschränken, in denen der Autor meines Erachtens irrt.
Vor allem bei einem der zentralen Themen der gegenwärtigen Politik scheint Pinker nicht genug in die vorliegenden Daten geschaut und nicht alle wissenschaftlichen Standpunkte geprüft zu haben: dem Klimawandel. Andernfalls hätte er festgestellt, dass es schon in vorindustrieller Zeit vergleichbare Wärmeperioden gab, dass die Erhöhung der CO2-Konzentration der Erwärmung folgt statt umgekehrt, dass sich etliche Prognosen des Weltklimarats (IPCC) bereits als falsch herausgestellt haben, und dass dieser sowie Politik und Medien überzeugende Theorien zu den natürlichen Ursachen des Klimawandels gezielt unterdrücken. Ebensowenig berücksichtigt er die Tatsache, dass eine Erwärmung um einige Grad mehr positive als negative Folgen haben dürfte, von einer „Klimakatastrophe“ also so oder so keine Rede sein kann.
Pinker kolportiert auch die Behauptung, dass „genau vier von 69.406 Autoren begutachteter wissenschafticher Artikel die Hypothese der menschengemachten Erderwärmung bestritten“ (S. 180). Das sind aber nur diejenigen, die auch die geringste menschliche Einflussmöglichkeit völlig ausschließen.
Angesichts der ungeheuren finanziellen Ausgaben und des politischen Missbrauchs der Hypothese einer menschengemachten Klimakatastrophe durch Globalsozialisten, welche die meisten größeren Parteien unterwandert haben und (inzwischen mit Corona als weiterem Mittel) eine weltweite Umverteilung von Wohlstand erzwingen und schließlich eine Weltdiktatur errichten wollen, ist das ein schwerwiegender Irrtum Pinkers. Auch hätte ihm zu denken geben können, was er in einem späteren Kapitel ausführt; nämlich, dass bei Zukunftsprognosen Experten meist schlechter abschneiden als Laien. Mehr noch: „Je berühmter sie waren und je mehr das Ereignis mit ihrem Fachgebiet zu tun hatte, desto ungenauer fielen ihre Prognosen aus“ (S. 462f). Wieso vertraut er dann hier auf den Alarmismus gerade der „berühmten“, weil von Politik und Medien geförderten, Klimaexperten?
Bei der Bekämpfung des Klimawandels setzt Pinker allerdings, anders als die meisten Befürworter einer Energiewende, auf die Kernkraft, wobei er vorrechnet, dass sie sich als um ein Vielfaches sicherer erwiesen hat als andere Energieformen, an deren Folgen „womöglich eine Million Menschen pro Jahr“ sterbe, während es bei der Kernkraft in 60 Jahren gerade einmal 31 plus etwa 1.000 vorzeitige Krebstote in Tschernobyl gewesen sind (S. 191). Hier erweist sich wieder seine wissenschaftliche Nüchternheit – wenn er denn die Fakten gebührend zur Kenntnis nimmt.
Insgesamt sieht Pinker die Umweltbewegung durchaus kritisch und spricht von „Grünismus“ („Greenism“):
„Wie viele apokalyptische Bewegungen ist Grünismus verbrämt mit Misanthropie, Gleichgültigkeit gegenüber dem Hungertod, Schwelgen in morbiden Phantasien von einem entvölkerten Planeten und nazimäßigen Vergleichen von Menschen mit Ungeziefer, Krankheitserregern und Krebsgeschwüren“ (S. 161f).
An Donald Trump lässt Pinker kein gutes Haar. Freilich war zur Zeit der Abfassung des Buches noch nicht abzusehen, dass Trumps Präsidentschaft militärisch eine der friedlichsten und wirtschaftlich eine der erfolgreichsten gewesen ist – bis er den Fehler machte, auf die Corona-Plandemie (kein Schreibfehler!) hereinzufallen.
Pinker ist Verfechter eines maßvollen Sozialstaates. Kommunismus verurteilt er ebenso wie Libertarismus. Doch während er zu Recht auf das wirtschaftliche Versagen und die vielen Millionen Toten des Kommunismus verweist, kann er – ebenfalls zu Recht – beim Libertarismus nur konstatieren, dass „kein Industrieland nach rechtsgerichteten libertären Prinzipien regiert“ wird (S. 458). Diese Formulierung erweckt indes den falschen Eindruck, dass wohl einige unterentwickelte Länder so regiert würden. Tatsächlich aber wurde der Libertarismus noch nirgends auf der Welt in der Praxis erprobt. Am nächsten kam man diesem Ideal vielleicht in der Verfassung der USA, und diese Freiheit hat ihren Aufstieg zur Weltmacht ermöglicht.
Pinker begründet seine Ablehnung des Libertarismus einzig mit der Feststellung, dass Länder mit höheren Sozialausgaben als die USA – er nennt Kanada, Neuseeland und Westeuropa – „die USA haushoch in allen Kriterien des menschlichen Wohlergehens, einschließlich Kriminalität, Lebenserwartung, Säuglingssterblichkeit, Bildung und Glück“ „übertrumpfen“ würden (S. 458). Indes ist der Vergleich mit einem einzigen Land, eben den USA, alles andere als repräsentativ. Der Grund für den relativen Rückstand dürfte eher darin liegen, dass die USA ethnisch gemischter sind als die anderen genannten Länder. So führt der hohe Anteil an Afroamerikanern zu einer geringeren durchschnittlichen Intelligenz. (Ja, die unterschiedlichen durchschnittlichen Intelligenzquotienten der Ethnien sind wissenschaftlich belegt!) Bei einem Vergleich von 103 Ländern belegen die USA Rang 25, während Kanada auf Rang 13 und Neuseeland auf Rang 18 liegt. Auch alle westeuropäischen Staaten (mit Ausnahme von Italien und Portugal) liegen noch vor den USA. Ebenso führt die außerordentlich hohe Kriminalität bei Schwarzen zu einer höheren Gesamtkriminalität im Vergleich zu den homogeneren Gesellschaften. Des weiteren zeigen Untersuchungen, dass Menschen in ethnisch homogenen Gesellschaften glücklicher sind (vgl. Paul Collier: Exodus. Warum wir Einwanderung neu regeln müssen, Berlin 2014). All dies zeigt, dass die relative Schwäche der USA im Vergleich zu Kanada, Neuseeland und vielen westeuropäischen Staaten andere Ursachen als die niedrigeren Sozialleistungen haben dürfte.
Eine weniger selektive Betrachtung als die Pinkers zeigt keinen klaren Zusammenhang zwischen Sozialleistungen und Wohlstand in der westlichen Welt. So ist die Schweiz das Land mit dem dritthöchsten Wohlstand (LEGATUM Wohlstandsindex 2020), aber bei den Sozialausgaben gemessen am Anteil des BIP nur auf Rang 28 (Zahlen der OECD für 2019). Die Niederlande sind im Wohlstandsindex zwei Plätze vor Deutschland auf Rang 6, bei den Sozialausgaben aber erst auf Rang 31 zu finden (Deutschland: Rang 7). Zusätzlich ist zu bedenken, dass sich reichere Länder überhaupt erst höhere Sozialausgaben leisten können, die Kausalität also genau umgekehrt sein könnte. Deutschland ist dafür ein gutes Beispiel: Mit der Zunahme des Wohlstandes zwischen Nachkriegszeit und Beitritt der neuen Bundesländer erhöhte man die Sozialausgaben erheblich (wohlgemerkt: auch im Verhältnis zum BIP), obwohl logischerweise das Gegenteil der Fall sein müsste, wenn es den Menschen besser geht. Mit Blick auf Deutschland wie auch die USA könnte man vielmehr argumentieren, dass mit zunehmenden Sozialausgaben der Wohlstand langsamer wächst, wenn nicht gar stagniert oder zurückgeht.
Pinker scheint sich auch selbst zu widersprechen, wenn er einerseits Länder wegen ihrer höheren Sozialausgaben im Vorteil sieht, aber an anderer Stelle das „Vorsorgeprinzip“ in den USA als die Wirtschaft schwächend kritisiert:
„Amerika hat seine Strahlkraft verloren. Arbeitskräfte in Gebieten mit schwacher Wirtschaft rappeln sich nicht mehr auf, um in boomende Regionen abzuwandern, sondern kassieren Leistungen der Erwerbsunfähigkeitsversicherung und ziehen sich aus dem Arbeitsleben zurück. Das Vorsorgeprinzip hält alle erstmals davon ab, etwas auszuprobieren“ (S. 416f).
Wenig überzeugend ist schließlich auch Pinkers Ansicht, dass ethnische Diversität kulturellen und wissenschaftlichen Fortschritt bringe: „Das erklärt, warum nicht Australien, Afrika oder Nord- und Südamerika, sondern Eurasien der erste Kontinent war, der expandierende Zivilisationen hervorbrachte“ (S. 565). Indes hat Afrika die höchste ethnische Diversität. Wäre Pinkers Argumentation zutreffend, dann hätte der kulturelle und wissenschaftlichen Fortschritt, die „Aufklärung“, von diesem Kontinent ausgehen müssen. Auch einem multiethnischen Land wie Indien gelang erst durch die britische Kolonisierung der Anschluss an den Fortschritt.
Auf einen problematischen Aspekt der ethnischen Diversität, wie sie sich insbesondere in den Ländern Westeuropas, aber auch in den USA darstellt, hat Pinker in einem früheren Kapitel selbst hingewiesen:
Im wirklichen Leben sind Sozialleistungen […] eine Kombination aus Versicherung, Investition und Wohltätigkeit. Ihr Erfolg ist demnach anhängig von dem Ausmaß, in dem die Bürger eines Landes sich als Teil einer Gemeinschaft empfinden; und dieses Gemeinschaftsgefühl kann strapaziert werden, wenn die Nutznießer überproportional aus Einwanderern oder ethnischen Minderheiten bestehen.“ (S. 146)
Der Tenor des Buches ist jedoch, ähnlich wie bei „Gewalt – eine neue Geschichte der Menschheit“: Die Menschheit hat große Fortschritte gemacht, und das wird wahrscheinlich auch so weitergehen.
Würde das Buch heute erscheinen, müsste wohl einiges umgeschrieben werden. Die Demokratie ist auf dem Rückzug, Grundrechte werden außer Kraft gesetzt. Wie sieht Pinker die Corona-Krise? In einem Interview mit der NZZ vom April 2020 sagte er:
„Wir sollten stets alle Kosten bedenken, die direkten menschlichen und die indirekten ökonomischen. Aber ich denke, im vorliegenden Fall könnte die ungebremste Ausbreitung der Pandemie höhere Kosten verursachen als eine ökonomische Depression.“
Er sagte aber auch: „Das meiste, was nun gesagt und geschrieben wird, wird sich als falsch herausstellen.“
Gefahr für die Aufklärung droht nicht zuletzt von einer politischen Instrumentalisierung der Wissenschaft. Gerade hier, bei Klima und (nach Erscheinen des Buches) Corona, wären von Pinker andere Standpunkte zu erwarten und zu erhoffen gewesen.
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Steven Pinker | Wird die Welt besser oder schlechter?
Februar 2021 | Mindset
Städte liegen in Schutt und Asche, überall herrscht Chaos und die Finanzwelt steht immer vor dem größten Crash aller Zeiten. Genau dieses Bild der Welt erfährt man, wenn man regelmäßig Nachrichten schaut. Doch Steven Pinker, ein Evolutionspsychologe/Kognitionspsychologe und renommierter Autor, behauptet, dass diese Darstellung genau das Gegenteil vor dem sei, was wirklich in der Welt passiere. Er behauptet, die Welt werde jeden Tag eine deutlich bessere. Was es mit seinen Ansichten auf sich hat und ob die Welt wirklich besser wird, klären wir im heutigen Video. Und damit herzlich Willkommen auf Mindset.